Vielen Dank für die pünktliche und umfangreiche Bearbeitung des 2. Arbeitsauftrags. Wir möchten Ihnen diesmal die Rückmeldung zum Arbeitsauftrag rund um das Unterrichtsprinzip Politische Bildung in Form eines Forums übermitteln. Generell konnten wir viele gut argumentierte Statements von Ihnen lesen, einige auch unter Bezugnahme von wissenschaftlicher Literatur. Was uns sehr gefreut hat. Auch bei der Umsetzung in die Lehrpraxis haben Sie kreative Beispiele gebracht und sich einiges einfallen lassen. Manche sind jedoch wenig konkret an der Oberfläche geblieben und haben nur Methoden aufgezählt und keine, wie gefordert, praktische Beispiele gebracht.
Beim Lesen Ihrer Beiträge sind uns nun folgende Dinge aufgefallen:
Unterrichtsprinzipien fassen cross-curriculare Themen zusammen. Demnach sollten alle Lehrer und Lehrerinnen diese kennen (was sehr oft aber nicht der Fall ist) und auch in ihrem Unterricht berücksichtigen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Unterrichtsprinzipien war keine Fangfrage. Aktuell gibt es von Seiten des Ministeriums konkrete Überlegungen dahingehend, die Menge an Unterrichtsprinzipien zu bündeln und dieser Unübersichtlichkeit ein wenig entgegenzuwirken. Sinnvoll wäre auch eine stärkere Verankerung (im Sinne einer Bewusstseinsbildung) auch im Lehramtsstudium.
Das Unterrichtsprinzip aus dem Jahr 1978 war eine Kompromisslösung. Die ursprüngliche Idee war es ein Fach oder zumindest ein freies Wahlfach an der AHS Oberstufe zu initiieren. Angesichts der damaligen politischen Situation und auch aufgrund der Tatsache, dass man sich nicht darauf einigen konnte, wer den Politische Bildung unterrichten sollte, konnte "nur" das Unterrichtsprinzip verabschiedet werden. Aus heutiger Sicht finden sich auch noch viele Anachronismen im Erlass. So wird beispielsweise die Landesverteidigung genannt, es fehlt der europäische bzw. globale Bezug und die Betonung der Demokratie und des Österreichbewusstseins wird hervorgehoben. Gerade den letzten Punkt muss man vor dem Hintergrund der späten 1970er Jahre betrachten.
Der Erlass aus dem Jahr 2015 ist von einem reinen ExpertInnengremium geschrieben worden, stützt sich auf die aktuelle Diskussion in der Politikdidaktik und konnte relativ rasch verabschiedet werden. Kein Vergleich zu den umfassenden Diskussionen in den 1970er Jahren, wo ein breitangelegter zivilgesellschaftlicher Prozess die Erstellung des Erlasses begleitet hat. Der Vergleich der beiden Erlässe ist Ihnen nicht immer leicht gefallen.
Bei einigen Arbeiten ist das Unterrichtsprinzip Politische Bildung mit dem Beutelsbacher Konsens und den didaktischen Prinzipien verwechselt worden. Der Beutelsbacher Konsens ist ein grundlegendes Papier, das einen Rahmen vorgibt, innerhalb welchem sich Politische Bildung bewegen darf bzw. auch nicht. Die wesentlichen Leitideen sind das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsgebot. Geleitet wird Politische Bildung von den didaktischen Prinzipien. Beides findet vor allem im Erlass von 2015 umfangreich Berücksichtigung.
Einige unter Ihnen hatten offensichtlich Schwierigkeiten dabei, eine Verbindung zur Politischen Bildung mit ihrem Zweitfach zu finden. Das hat uns ein wenig verwundert. Wir glauben, dass man hinsichtlich der Berücksichtigung von Politischer Bildung durchaus ein wenig kreativer sein muss. Im Bereich von Fremdsprachen muss es nicht gleich der Vergleich des Politischen Systems sein, es könnte auch eine Pro-Contra Debatte rund um ein aktuelles politisches Thema im jeweiligen Land sein oder eine bewusst gewählte politische Karikatur als Impuls für eine Schreibauftrag. Aber auch in den Naturwissenschaften bzw. in der Mathematik und Informatik kann ganz schnell ein Bezug zu einem politischen Thema hergestellt werden (Statistik, Stochastik, Datennutzung, Datenschutz... ). Im Bereich Sport könnten Regeln erarbeitet und diskutiert werden. Fußball ist hoch politisch und sportliche Großveranstaltung sowieso. Im Musikunterricht könnte man auf das Phänomen des "Rechtsrock" eingehen und politische Liedtexte analysieren. Im Kunstunterricht gibt es immer starke Bezugspunkte zur jeweiligen Epoche der Entstehung und der Einstellung des Künstlers/der Künstlerin (z.B. "Entartete Kunst"), Es muss auch nicht immer eine ganze Unterrichtsstunde mit Politischer Bildung gefüllt werden, wie oben erwähnt, sind es oft Bezugnahmen auf aktuelle Diskussionen (Filme, Serien, Karikaturen, Liedtexte, Zeitungsartikel), die thematisiert werden können. Oftmals ist es auch eine Stellungnahme Ihrerseits zu einem bestimmten (politischen, gesellschaftlichen) Thema, das zu Diskussionen und Recherchen, Erarbeitungen mit den SuS und durch die SuS führt.
Aufgefallen ist uns auch, dass nur ganz wenige von Ihnen mit dem Wort "Politikbegriff" gut umgehen konnten. Wenn Sie sich erinnern, haben wir unserer ersten LV-Einheit (damals noch in Präsenz) von einem "engen" und "weiten" Politikbegriff gesprochen. Hier geht es darum, dass man Politik nicht eindimensional erklären kann, z.B. nur mit Parteipolitik, sondern es gibt im Prinzip drei Säulen, die Politik ausmachen: die institutionelle Form (polity), die den Rahmen bildet (Institutionen, Verfassung, Normen), der aufgabenorientierte Inhalt (policy), der die Inhalte und Ziele von Politik ausmacht (Parteiprogramme, Werte, Ziele...) und der prozessuale Verlauf (politics), wo es um Konflikte, Interessen, Durchsetzung geht, machen zusammen das aus, was man als Systematik der Politik bezeichnen kann. Es ist nicht alles politisch in der Gesellschaft; aber fast alles kann politisch relevant werden, wenn es mit einem der drei Prinzipien verbunden wird.
Wir sind schon wieder fleißig am Lesen des 3. Arbeitsauftrags und werden uns mit dem nächsten Feedback bald melden.
Bis dahin wünschen wir Ihnen noch viel "Schreiblust" und senden
liebe Grüße
Daniela Rippitsch und Cornelia Klepp