Regel 22: Lösen Sie sich von vorschnellen Typisierungen!

Regel 22: Lösen Sie sich von vorschnellen Typisierungen!

von Kristina Zivny -
Anzahl Antworten: 1

Die Regel 22 beschäftigt sich mit dem Thema der Lerntypen und welche Relevanz, die unterschiedlichen Lerntypen heute noch haben- oder auch nicht? -und inwiefern es notwendig ist, didaktisch für die Lehre umzudenken. 

 Lerntypenunterscheidungen sind nach wie vor sehr gefragt, in Literatur als auch in der Praxis. Aus Sicht von Hirnforscher Gerhard Roth zählen die Lerntypen jedoch bereits zu pädagogischen Mythen und sind längst überholt. Welche Wichtigkeit hat es für eine lehrende Person zu wissen, welche Lerntypen die Lernenden haben?  Diese Frage wurde in unterschiedlichen Fortbildungen immer wieder diskutiert und die dargestellten Ansätze und Möglichkeiten waren sehr unterschiedlich. Eine Erkenntnis war z.B. dass Lerngruppen mit praktischen Fallbeispielen gut zurechtkommen und theoretisch dazu passendes Wissen mit Texten u.Ä. erarbeitet werden. 

 Um die individuellen Voraussetzungen der Lernenden und die unterschiedlichen Lernmöglichkeiten überein zu bringen, braucht es „mehrheitsfähige Inszenierungen“, die für alle Beteiligten eine gewinnbringende Situation entstehen lassen. Das heißt das Lernen durch Fallbeispiele aus der Praxis, wie es auch schon in den Diskussionen weiter oben angesprochen wurde, eine genau solche didaktische Methode darstellt, die einer fall-und lebensweltorientierten Zugangsweise in der Erwachsenenbildung entspricht. Des Weiteren wird in diesem Kontext auch von einer wirklichen didaktischen Inklusion gesprochen. Die Erwachsenen sollen dort abgeholt werden, wo sie sich in der kognitiven und emotionalen Form befinden und es ihnen möglich ist zu lernen. 

 

Im Text werden unterschiedliche Lerntypen Erwachsener dargestellt, wo zugleich auch die Unterschiede im Lernverhalten thematisiert werden. 

In den 1970er Jahren haben Hans Tietgens und Johannes Weinberg folgende Typen unterschieden: 

„Imitativ-additiv-kasuistisch: auf die mechanische Anwendung und Aneignung einzelner Informationen bezogen; 

Sinnvorwegnehmend-generalisierend: erlaubt auch Verallgemeinerungen und erleichtert so den Transfer gewonnener Einsichten“ (vgl. Arnold  2020:130).


Diese Lerntypen wurden 2008 von Josef Schrader noch weiter differenziert, welche den Blick zwar weiter öffnen, jedoch auch verschiedene Fokussierungen vermischen. Zum Beispiel können Merkmale eines Theoretikers auch bei einem Musterschüler auftreten. 

  • Theoretiker: erfolgszuversichtlich, zielgerichtet, intrinsisch motiviert, lernen gerne und gut aus Texten und zielen auf Verstehen von Zusammenhängen; 
  • Anwendungsorientierte: lernen für und durch Anwendung, probieren gern selbstständig aus und brauchen Anschauung
  • Musterschüler: sind ehrgeizig, fleißig, lernen für gute Noten und Zertifikate, wünschen Anleitung und konzentrieren sich auf die Reproduktion von Faktenwissen 
  • Gleichgültige: lernen nicht mehr, als sie unbedingt brauchen, sind ohne besondere Vorleieben oder Abneigungen, konzentrieren sich auf das, was ihnen abverlangt wird
  • Unsichere: misserfolgsängstlich, wünschen Unterstützung und Anleitung und konzentrieren sich auf das Einprägen der wichtigsten Fakten; (vgl. Arnold 2020:132)

 Für jeden der genannten Typen gibt es formulierte didaktische Konsequenzen, die zeigen, wie der Lehrende auf den Typen reagieren sollte. 

 Allen gemeinsam ist aber, dass sie versuchen das individuelle Lernverhalten zu charakterisieren und eine Verbindung zwischen der Ebene des Lehrens und Lernens herzustellen. Die Kritik zu den hier beschriebenen Lerntypologien besteht darin, dass sie keine Wirklichkeit beschreiben, sondern die Konstruktion einer Wirklichkeit sind.  

 All Inclusive Didaktik – Fazit: 

Das Vermitteln von Inhalten soll didaktisch auf Aktivierung, Beteiligung und Selbststeuerung der Lernenden abzielen. So können die Lernvorlieben der Lernenden besser wahrgenommen werden und gleichzeitig vielfältige Möglichkeiten des Lernens angeboten werden, die ein lernförderliches Setting durch ein Gefühl der Sicherheit stärken. Eine Didaktik der Offenheit und Vielfalt ermöglicht den Lernenden unzählige Möglichkeiten des freudvollen Lernens-  

Eigene Reflexion: 

Aus eigener Lernerfahrung kann ich diesbezüglich sagen, dass ich eine absolute Mischung der genannten Lerntypen bin und ich in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedlich gelernt habe bzw. lerne. 

Als Referentin und Trainerin in der Erwachsenenbildung konnte ich in meiner Tätigkeit in Fort-, Aus- und Weiterbildungen beobachten, dass die Teilnehmer:innen sehr viel aus praktischen Fallbeispielen und Diskussionen lernen. Diese Rückmeldung bekomme ich immer wieder. Die Diskussionsergebnisse dann mit theoretischem Fachwissen zu untermauern hat sich für mich als zielführend erwiesen. Durch unterschiedliche didaktische Methoden konnte ich bisher die meisten Lernenden erreichen, da ich Gruppenarbeiten so vielfältig gestalte, dass sich jede:r mit seinen/ihren  Stärken gewinnbringend beteiligen kann. 

Als Antwort auf Kristina Zivny

Re: Regel 22: Lösen Sie sich von vorschnellen Typisierungen!

von Oliver Maurhart -
Ich sehe auch in meiner eigenen Erfahrung, dass es eine Vielfalt von Lerntypen in einer Person gibt und dass Menschen keine statischen Lernschablonen sind. Ich glaube, die Dominanz bestimmter Lerntypen könnte sich auch je nach Lebensphase, Kontext oder Thema verschieben. Auch kann jeder Mal einen "schlechten Tag" haben. Wenn die Didaktik diese Fluidität berücksichtigt und keine starren Kategorisierungen vornimmt aber stattdessen vielseitig und flexibel ist, können damit Lernende mit unterschiedlichen Präferenzen angesprochen werden.