Regel 15 Bieten Sie die Struktur und das Baumaterial für die Lernprojekte der Lernenden an!

Regel 15 Bieten Sie die Struktur und das Baumaterial für die Lernprojekte der Lernenden an!

von Oliver Maurhart -
Anzahl Antworten: 2

Regel 15 empfiehlt Lehrern sich aus ihrer traditionellen Rolle als reine Wissensvermittler lösen und stattdessen als Begleiter zu agieren. Ziel ist es, Lernenden ihre Verantwortung für den eigenen Lernprozess zurückzugeben und sie aus der "gelernten Abhängigkeit" zu führen.

Die Idee dabei ist, dass der Mensch von Natur aus lernfähig ist. Er wird aber durch geregelte Bildungssysteme, welche Abhängigkeit und Passivität fördern, zu einer erlernte Hilflosigkeit statt zu einem eigenverantwortliche Lernen geführt.

Die neue Rolle des Lehrenden sollte "Gerüstbauer und Steinbruchverwalter" sein: er soll Strukturen und Lernumgebungen schaffen (Gerüste) in denen sich die Lernenden selbst Materialien und Ressourcen (Steinbruch) bedienen. Der Fokus verschiebt sich von direkter Instruktion hin zu einer indirekten Begleitung. Die Lehrkraft ist nicht passiv, sondern gestaltet gezielt Rahmenbedingungen, die die Lernenden zum eigenständigen Handeln anregen.

Der Psychologe Carl R. Rogers zeigt dabei mit Vertrauen in die Lernfähigkeit der Menschen wie einem als "Scaffolding" bezeichneten Ansatz dies gelingen kann:

  • Struktur: Ich biete den Lernenden klare Strukturen an und erkläre ihnen, welche Lernaufgaben anstehen und erledigt werden müssen.
  • Coaching: Ich beobachte achtsam, wie die Lernenden sich selbstständig mit den Aufgaben auseinandersetzen, und berate ihren Lernprozess.
  • Angebote: Ich konzentriere meine Vorbereitung stets auf die Bereitstellung vielfältiger Möglichkeiten, sich den Gegenstand anzueignen.
  • Fragen: Ich achte darauf, dass meine Fragen zur selbstständigen Erschließung anstiften und vermeide Informations(ab)fragen.
  • Fördern: Ich entwickle spezielle Übungen und Vertiefungsaufgaben für die unterschiedlichen Lernschwierigkeiten, die auftreten.
  • Offerieren: Ich lade ein und erzeuge Spannung, indem ich mich darum bemühe, an den Erfahrungen und Fragen der Lernenden anzuknüpfen.
  • Lassen: Ich gebe ausreichend Zeit und lasse auch eigene Wege, Themen und Vertiefungen zu, die von den Lernenden gewünscht werden.
  • Dosieren: Ich achte auf meinen Redeanteil und versuche, diesen niedrig zu dosieren.

Diese Pädagogik setzt auf die Selbstverantwortung der Lernenden und deren Fähigkeit, eigenständig Wissen zu erwerben. Die Lehrenden schaffen die Strukturen und Materialien, die dafür notwendig sind, und begleiten den Lernprozess als Unterstützer und Berater. Durch diese Herangehensweise wird Bildung nicht nur effektiver, sondern auch nachhaltiger und motivierender.

Eigenes Fazit:

Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass ich vom Lernen, welches intrinsisch motiviert aus mir selbst kommt, auf meiner eigenen Neugier fusst, am meisten profitiert habe. Um so mehr, als dass ich in der Wahl der Mittel zum Wissensgewinn frei sein konnte. Allerdings, kenne ich auch von mir selbst Fachgebiete, denen ich keine hohe Affinität entgegenbrachte und bei denen solch ein freie "laissez-faire" Ansatz eher Frust als Gewinn bedeutet. Ich zweifle sehr stark, dass ein allgemeiner Ansatz für alle Fächer für alle SuS sein kann.


Als Antwort auf Oliver Maurhart

Re: Regel 15 Bieten Sie die Struktur und das Baumaterial für die Lernprojekte der Lernenden an!

von Christopher Pucher -
Die gleiche Erfahrung habe ich auch bei meinen Schülerinnen und Schülern gemacht. Es ist eindeutig, dass nur jenes Wissen langfristig behalten wird, bei dem das Eigeninteresse geweckt wurde. Sobald es gelingt, die SuS für ein Thema so zu begeistern, dass eine intrinsische Motivation entsteht, hat man aus meiner Sicht alles richtig gemacht – der Lernerfolg stellt sich fast automatisch ein.

Obwohl ich mittlerweile selbst häufig schülerzentrierte Unterrichtseinheiten gestalte, bin ich der Ansicht, dass dies aus mehreren Gründen nicht immer möglich ist. Der wichtigste Punkt, der meiner Meinung nach dagegen spricht, ist der umfangreiche und ohnehin schon anspruchsvolle Inhalt der Lehrpläne. Schülerzentrierter Unterricht erfordert einen hohen Zeitaufwand, was dazu führen kann, dass bestimmte Lehrinhalte nicht mehr in der verfügbaren Zeit behandelt werden können.
Als Antwort auf Oliver Maurhart

Re: Regel 15 Bieten Sie die Struktur und das Baumaterial für die Lernprojekte der Lernenden an!

von Michael Kröpfl -
Hier kann ich mit meinem Fazit aus der von mir ausgearbeiteten Regel 6 antworten

Ich habe diese Art der Vorgehensweise im Kleinen schon öfters ausprobiert. Im Gegenstand CPE (Computerunterstützte Projektentwicklung). Hier habe ich Problemstellungen aus der Praxis den SuS zur Lösung gegeben. Nach einer kleinen Theorie-Input-Phase, Bereitstellung der notwendigen Unterlagen habe ich die SuS selbstständig arbeiten lassen und habe mich in die Beobachtung und sehr dezente Steuerung zurückgezogen.
Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Vor allem die besseren Schüler wie auch die „Mitschwimmer“ waren gefordert bzw. sind aufgewacht. Man konnte bei allen diesen SuS Verbesserungen erkennen. Leider hat es bei den ohnehin nicht interessierten zu keiner Besserung geführt.

Weiters glaube ich ähnlich dem Verfasser der Zusammenfassung zu Regeln 15, dass diese Vorgehensweise aber auch nicht für alle Fächer und SuS geeignet ist/sind.